Das Rätsel des Markverwesers - Teil 1

Am Abend erreichten wir Burg und Schloss Kranick, wo gerade ein Fest zugange war, auf dem auch Fremde willkommen waren und wir feierten kräftig mit. Dem Baron vom Kranick, einem gewissen Adalbert, war ein Nachkomme geboren worden (naja, also nicht dem Baron, sondern eher seiner Frau, klar…), und daher wurde nun gefetet. Allerdings wollte der Herr Baron auch ein Gastgeschenk haben, und so bot ich ihm ein wenig von meinem Pfeffer an, den er dann auch sofort probierte. Nachdem die Wiederbelebungsversuche erfolgreich waren und der Herr Baron wieder sprechen konnte, wollte er gerne ein Säckchen kaufen. Klar, für 4 Dukaten war es sein, höhö, und ich bekam quasi sein letztes Geld, das er noch hatte. Naja, man gönnt sich ja sonst nix, oder? Wir konnten auch im Gesindehaus übernachten, war zwar nicht sonderlich komfortabel, aber dafür umsonst.
Am nächsten Morgen wurden wir von lautem Herumgebrülle und Hufgetrappel geweckt. Ungefähr 20 schwarzgekleidete Berittene, die vor Waffen nur so starrten und – erschreck – Hörnerhelme trugen, begehrten lautstark Einlass. Angeführt wurden sie von einem Hoschi in dunkelroter – blutroter !!! – Rüstung. Der Rote forderte vom Baron "Tribut", was immer er damit auch meinte. Und der Baron konnte "nicht bezahlen". Da regte sich mein schlechtes Gewissen, wirklich… Leider raubte der Rote dann das Neugeborene und stach die Frau Baronin ab. Na, da konnte ich ja nicht anders, als aus dem Gesindehaus stürmen und dem Roten die 4 Dukaten von gestern Abend vor die Füße werfen. Das heißt, ich hab's versucht … der Versuch endete damit, dass mich vier stinkende Schergen meiner Kleidung entledigten, die 4 Dukaten aus dem zerrissenen Mieder klauten und mich vergewaltigen wollten. Schweinebande, wirklich! Aber dann rauschten sie plötzlich ab, mit dem Baby. Jorbolosch rief ihnen noch ein unflätige Worte hinterher, aufgrund dessen die Schergen erst stutzten, und dann das halbe Dorf nebst Karren der netten Korbflechter-Familie abfackelten.
Da standen wir nun in unserem kurzen Hemd, das heißt, ich hatte eh keins mehr an. Mist. Aber wir wollten natürlich wissen, was da Sache war. Und der Baron erklärte: die Schergen gehörten zum Markverweser Reiherstolz, der seit kurzer Zeit unglaublich hohe Steuern mit Blut und Schwert eintrieb. Und der Graf von Bärenstein, der eigentlich über dem Markverweser stand, tat nix. Baron Adalbert hatte bereits schon mehrere Boten zum Grafen geschickt, aber nichts passierte. Also mussten diesmal eher … unauffällige Boten her. Und da wir eh in Richtung B-Stadt (wo der Graf wohnte) unterwegs waren …
Das einzige Problem auf der Reise war die Feste Reiherstolz, durch deren Örtchen die Straße nach B-Stadt führte, und wo der Markverweser mit seinen Schergen hauste. Sehr ekelhaft, wirklich. Nicht nur, dass am Rande der Stadt ein stinkender Sumpf-Morast-Schleim blubberte, nein, im Örtchen selber begrüßte uns zunächst ein Torbogen, an dem mehrere Leichen in unterschiedlichen Verwesungsstadien hingen. Sehr geschmackvoll. Bettelnde Kinder mit fehlenden Gliedmaßen und in einem wirklich skandalös verwahrlosten Zustand umringten uns zwecks Bettelei. Alles in allem – ein Örtchen für den Lebensabend, der hier scheinbar schneller kam, als man "Maraskan" sagen konnte.
Ich hatte mich als Mann verkleidet, und es wäre ja alles gut gegangen, wenn nicht der Trupp Schergen, der plötzlich um die Ecke der örtlichen Kneipe bog (an deren Wand der Wirt übrigens angenagelt war … ach ja, und die Zunge hatten sie ihm auch rausgeschnitten) den guten Jorbolosch als denjenigen erkannte, der auf Burg Kranick unflätige Worte hinterhergerufen hatte. In diesem Augenblick war es Essig mit der Tarnung…
Ich duckte mich in meiner Männerverkleidung auf dem Gaul, Binja ebenfalls, aber der Zwergel musste ja partout die Flucht ergreifen und losgallopieren. Typisch! Erst große Klappe und dann abhauen! Die Schergen natürlich hinterher ... und weil der Zwergel auf seinem komischen Pony nicht gerade der beste Reiter war und seitwärts von seinem Reittier rutschte, hatten sie ihn auch bald. Und für uns hieß es: mitgefangen, mitgehangen. Der Kerker von der Feste Reiherstolz war nicht ganz so die Unterkunft, wie ich sie mir vorstellte, denn er war dunkel, feucht, überbelegt und einfach nicht sonderlich komfortabel. Und Würmer gab's auch keine, dafür genügend Spinnen und Kellerasseln. Igitt! Ganze drei Tage musten wir dort ausharren, bis uns der Markverweser holen ließ.
Ich staunte nicht schlecht, als wir vor diesem ominösen Markverweser standen. Er war ein kleines, dummes, vorlautes Kind mit dem Verstand eines Goblins. Und er lud uns zu einer Jagd ein. Das Dumme daran war nur, dass wir das Wild waren, welches er mit seiner kleinen, aber gut geladenen Armbrust jagen wollte. Und der Scherge in der blutroten Rüstung stand die ganze Zeit in seiner Nähe und flüsterte ihm mysteriöse Dinge ins Ohr. In diesem Augenblick erkannte ich, dass der Rote Ritter der eigentliche Gegner war ...
Wir durften dann jedenfalls mit einem kurzen Vorsprung von der Feste "flüchten". Im Dorf - wo der Wirt immer noch angenagelt an der Kneipe hing und langsam vor sich hinverweste - orientierten wir uns zunächst in Richtung Wald. Doch die Verfolger kamen rasch näher. Plötzlich tauchten mehrere Spitzohren - vulgo: Elfen - auf, die uns "retten" wollten! Na, da sagt man - oder frau - ja nicht nein, oder? Die Elfen geleiteten uns dann zu einem Höhlensystem, wo wir auf den eigentlichen Markverweser trafen. Ein netter, junger Mann übrigens! Und der erzählte uns, was denn hier in diesem Gebiet eigentlich schief lief: er selber hatte während der Invasion des Endlosen Heerwurms an der Ostfront gekämpft und war erst vor wenigen Tagen zurückgekehrt. In der Zeit seiner Abwesenheit, hatte sein Bruder - dieser armbrustschwingende Gnom - die Geschäfte geführt, unterstützt und beraten von diesem Roten Ritter und seinen Schergen. Und dieser war die eigentliche treibende Kraft für die Grausamkeiten, die im Betreuungsgebiet des Markverwesers abliefen!
Aber der echte Markverweser hatte bereits Boten zum Grafen von Bärenstein geschickt und Hilfe angefordert. Wir mussten jetzt nur noch in die Burg eindringen, die Wachen überwältigen, die Bürger von Reiherstolz in den Schutz der Feste holen und die Mauern so lange verteidigen, bis die Hilfe vom Grafen eintraf. Also ein Kinderspiel, haha ...
Elfenwolf - 14. Sep, 16:53